Martina Günther

Das digitale Alter Ego

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  • Fingerabdruck
  • Wege
  • Fehlerexperiment

Einleitung

Die Arbeit erforscht wie aus den Daten real existierender Menschen im virtuellen Raum digitale Doppelgänger entstehen und wie sich die reale und die digitale Identität gegenseitig beeinflussen. Dazu greift die Künstlerin zwei verschiedene Aspekte ihrer eigenen digitalen Identität auf und verwandelt diese mit Hilfe eines 3D-Druckers zurück in reale Objekte. Im letzten Teil der Arbeit wird anhand eines Beispiels veranschaulicht welche Auswirkungen virtuelle Fehler auf die Realität haben. Das seit Jahrtausenden verwendete natürliche und quasi ewig haltbare Material Ton steht dabei im Kontrast zum virtuellen Raum, weist aber gleichzeitig auf die Unsterblichkeit der digitalen Identität hin.

Fingerabdruck

Fingerprinting ist eine Methode um die Aktivität eines einzelnen Users im Internet zu verfolgen. Dies geschieht ohne Wissen des Anwenders im Hintergrund und es besteht keine Möglichkeit zur Abschaltung wie bei den Cookies. Damit Internetseiten richtig geladen werden können benötigen sie technische Informationen über die Hardware des Endgerätes auf dem sie angezeigt werden sollen. Die Summe all dieser Informationen ergeben den digitalen Fingerabdruck des Gerätes. Dieser ist ebenso einzigartig wie der seines Besitzers. Stellvertretend für ihre nicht greifbaren Fingerprintingdaten hat die Künstlerin ihren eigenen Fingerabdruck digital aufbereitet und mit dem 3D-Drucker ausgedruckt.

Wege

Das Handy ist ein sehr persönlicher Gegenstand und wird häufig 24 Stunden am Tag nahe am Körper getragen. Jedes Smartphone bietet die Funktion der Standorterkennung. Seine Ortungsdienste ermöglichen die permanente Überwachung des Aufenthaltortes seines Besitzers, selbst wenn sie ausgeschaltet sind. Tatsächlich erlaubt man die Verwendung seiner Standortdaten mit jedem Einverständnis zu Datenschutzerklärungen die third party tools beinhalten. Das sind idR sog S.D.K.s (software developement kit), d.h. vorgefertigte Programme, die eine bestimmte Funktion erfüllen und wie Bausteine in Apps eingebaut werden können. Lädt man sich nun eine solche App herunter, sendet diese permanent die Standortdaten ohne daß man etwas davon merkt selbst wenn die Ortungsdienste ausgeschaltet sind. Auch die in den Datenschutzbestimmungen versprochene Anonymisierung unterschlägt einige wichtige Details. Zwar werden die Standortdaten anonymisiert, allerdings stellt sich die Frage wie lange sie anonym bleiben, wenn sich der Handyeigentümer jeden Tag auf den selben Wegen zwischen seiner Wohnadresse, seinem Arbeitsplatz, seiner Schule, etc bewegt und unterwegs zahlreiche weitere digitale Spuren wie Bankomatzahlungen, Telefonate usw hinterläßt. Laut Datenschutzerklärungen werden die Daten auf sicheren Servern gespeichert, was allerdings nicht unbedingt auf die Daten zutreffen muß, die von den SDKs gespeichert werden. Diese werden meistens von kleinen, unbekannten Firmen entwickelt und diese dürfen “ihre” Daten speichern wo sie wollen, verkaufen, verknüpfen, …, im Grunde weiter verwenden wie sie möchten. So entsteht mit der Zeit ein digitaler Doppelgänger. Im 2. Teil ihrer Arbeit hat die Künstlerin fünf ihrer Alltagswege ausgedruckt.

Fehlerexperiment

Die globalisierte Welt von heute ist bereits in hohem Maße von der Zuverlässigkeit ihrer digitalen Werkzeuge abhängig. Jede Software ist nur so gut wie der ihr zugrundeliegende Algorithmus und je größer und komplexer das System, desto mehr Fehler sind darin enthalten. Fehler, die große Auswirkungen auf unser reales Leben haben können. Ein 3D-Drucker ist ein vergleichsweise einfaches Gerät, das sich leicht und vielseitig manipulieren läßt. So lassen absichtlich erzeugte Fehler die Grenzen der Technik erkennen und geben Hinweise darauf, wo im Umgang mit menschlichen Daten besondere Vorsicht geboten ist. Für dieses Experiment hat die Künstlerin den selben gcode verwendet wie bei einem ihrer Alltagswege und einen Fehler eingebaut. Zunächst war der urprüngliche Weg nicht klar zu erkennen, aber mit zunehmender Höhe ist der im gcode programmierte Pfad immer deutlicher hervorgetreten bis er am Ende gleich deutlich zu sehen ist wie bei dem Ausdruck ohne Fehler. Hier läßt sich sehr schön erkennen, wie Algorithmen alles auf die ihnen zugrundeliegenden Muster reduzieren.
Erkenntnisse Die digitale Identität des Menschen wird wie ein Puzzle aus den vom realen Menschen produzierten Daten zusammengebaut. Für jeden Einzelnen und auch für das allgemeine Bild der künstlichen Intelligenzen vom Menschen. So entsteht mit der Zeit für jeden User ein digitales Alter Ego vor dem kein Geheimnis sicher ist und das mitunter, bigdata sei Dank, mehr über uns weiß als wir selbst. Das gleiche gilt für die Gesamtheit aller Userdaten: es entsteht ein kollektives digitales Alter Ego der Menschheit mit dessen Hilfe die künstlichen Intelligenzen die individuellen digitalen Identitäten klassifizieren können. Das bringt Vor- und Nachteile mit sich. Im Momnet steht die Begeisterung über die sich neu eröffnenden Möglichkeiten im Vordergrund. Komfort und Unterhaltung für die Privatpersonen, Zeit- und Kostenersparnis für Staat, Unternehmer und Private. Doch langfristig betrachtet werden die Schattenseiten immer mehr zu Tage treten. Jeder, der mit einem nicht in der Software berücksichtigten Problem, an einem Telefoncomputer gescheitert ist, weiß was gemeint ist. Eine Maschine kann immer nur das wozu sie gebaut wurde. Haben die Entwickler etwas vergessen oder einen Fehler gemacht, macht auch die Maschine Fehler und je nach Größe und Komplexität des Systems ist auch der Schaden entsprechend groß.
Das digitale Alter Ego wird niemals die Vielschichtigkeit eines realen Menschen erreichen, sondern immer nur ein fehlerhaftes Abbild sein. Die gesellschaftliche Partizipation des realen Menschen wird zunehmend von seiner digitalen Identität im virtuellen Raum beeinflußt. Es braucht dringend eine Diskussion darüber, wo das digitale Alter Ego Stellvertreter sein darf und wo nicht.

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